Dieses wunderschöne Buch hat mich aufgrund seines Covers und des Klappentextes sehr angesprochen. Eine Familiengeschichte und ein Cottage in den Cotswolds? Definitiv meins.
Darum geht es:
Einst waren sie die große, glückliche Bird-Familie: Lorelei, Colin und ihre Kinder Megan, Bethan, Rory und Rhys. Sie lebten zusammen in einem gemütlichen Cottage in den Cotswolds. Eine große Tradition waren die Osterfeste der Familie, die Ostereiersuche für Lorelei und die Kinder das jährliche Highlight, das sie mit Familie und Freunden feierten. Doch an einem dieser Osterfeste zerbricht das Familienidyll, das schon vorher ins Wanken kam. Ein furchtbares Ereignis wirft die Familie komplett aus der Bahn und im Lauf der Jahre entfremdet sie sich.
Erst Jahre später, als die Nachricht von Loreleis Tod sie erreicht, kommen Vater und Kinder wieder zusammen in dem Haus, das einst ihr Heim war. Der Schock über den Zustand des Cottages ist groß. Lorelei hat hier die letzten Jahre ihres Lebens alleine verbracht und das Haus komplett zugemüllt. Colin und seine Kinder finden nach und nach heraus, was tatsächlich geschah, an dem schrecklichen Osterfest, das der Auslöser für all die Entwicklungen danach war. Die Familie kommt sich langsam wieder näher. Ob es eine Chance gibt, sich selbst und den anderen zu vergeben? Es zeigt sich, das noch nicht alle Hoffnung vergebens ist und die Familie Bird durchaus eine zweite Chance hat.
Meine Bewertung:
Dieses Buch hat mich überrascht, meine Erwartungen komplett über den Haufen geworfen und mich bis zur letzten Seite gefesselt. Ich hatte zwar eine Familiengeschichte mit Höhen und Tiefen erwartet, aber keine solchen Tragödien.
Die Geschichte der Birds wird auf verschiedenen Erzählebenen aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt und zieht sich über 30 Jahre. Zum einen gibt es den Briefwechsel von Lorelei und Jim, ihrer Onlineliebe, die sie kurz vor ihrem Tod noch findet, die Gegenwartsebene, in der die Familie nach und nach zusammenkommt, um das Haus auszuräumen, und die Vergangenheit, die von 1981 bis 2011 nach und nach erzählt wird. Zumeist aus der Sicht von Megan, teilweise aber auch von Bethan und Rory. Trotz der Wechsel fällt es nicht schwer, der Geschichte zu folgen, da die Briefe und die Teile der Vergangenheit immer wunderbar zusammenpassen und chronologisch aufgebaut sind. Das finde ich persönlich sehr sympathisch, denn wildes Zeitgehüpfe ist zumeist eher anstrengend und unterbricht den Lesefluss.
Die Familie Bird wirkt am Anfang noch sehr glücklich, obwohl Lorelei schon da beginnt, einen Sammeltick zu entwickeln, der zumindest ihrer ältesten Tochter Megan und ihrem Mann Colin suspekt ist. Nach dem alles ändernden Osterfest verliert Lorelei jeglichen Halt, sodass sich Colin auch mehr und mehr von ihr distanziert. Die gegenseitigen Beschuldigungen und die eigenen Schuldgefühle drängen die Familie mehr und mehr auseinander. Weitere, tiefschürfende Ereignisse führen zu einem – so es scheint – endgültigen Bruch in der Familie. Es geschehen Dinge, die für einige Familienmitglieder sehr verletzend und eigentlich unverzeihlich sind.
Umso überraschender ist es, dass ausgerechnet Loreleis Tod und ihre „Brieffreundschaft“ zu Jim Licht ins Dunkel bringen, und die vergangenen Jahre aufgearbeitet werden können. Es ist so schön zu lesen, dass sich Vater und Geschwister nach langer Zeit endlich wieder in die Augen schauen und verzeihen können. Sie lernen tatsächlich aus ihrer Vergangenheit und kommen ihrem persönlichen Happy End näher – auch wenn nicht mehr alle Familienmitglieder am Leben sind.
Anfangs hatte ich das Gefühl, dass mich die Geschichte ziemlich runter zieht, denn es passieren einfach so viele furchtbare Dinge. Doch so nach und nach kommen auch immer wieder positive Erlebnisse und man hat immer mehr das Gefühl, es gibt ein positives Ende. Liebe, Trauer, Wut, Neid – all diese Gefühle finden sich wohl in jeder Familie, mal mehr, mal weniger stark ausgeprägt. Aber wie viele Familien sind schon durch ein einziges Ereignis in die Brüche gegangen. Offenbar liegt es in der menschlichen Natur, dass unsere Beziehungen immer etwas kompliziert sind, und das auf allen Ebenen: Familiär, partnerschaftlich, freundschaftlich…
Bei der Familiengeschichte der Familie Bird kann man sich den Verlauf richtig schön bildlich vorstellen als Netz oder Geflecht: Aus verschiedenen Knoten und Fäden besteht erst ein dichtes Netz, dass dann weitmaschiger wird, die Fäden verknüpfen sich neu und laufen am Ende wieder zusammen. Okay, das Bild habe ich aus einem anderen Buch…aber davon erzähle ich euch ein anderes Mal.
Ich möchte euch natürlich nicht zu viel verraten. Nur eines noch: Zum Ende hin war ich so gespannt, endlich zu erfahren, was an dem Tag vor dem tragischen Osterfest passiert ist. Ich war so neugierig und musste immer weiter lesen. Die Auflösung kommt tatsächlich erst ganz kurz vor Schluss. Gemein, aber gut.
Fazit:
Lasst euch nicht täuschen: Auch wenn am Anfang alles ziemlich negativ und deprimierend ist, es wird im Lauf des Buches besser, denn nach und nach versteht man die Zusammenhänge. Insgesamt ist das Buch dann doch ein ganz dickes „Ja“ zur Familie. Und die Familie Bird verbindet eine wirklich außergewöhnliche Historie. „Der Flügelschlag des Glücks“ macht auch ziemlich nachdenklich, zeigt das Buch doch, wie zerbrechlich das Verhältnis zwischen Familienmitgliedern ist.
Außerdem habe ich nach Lesen des Buches direkt wieder angefangen, ein paar Dinge zu entsorgen. Kann ja nicht schaden – ich möchte mich nicht irgendwann durch ein Labyrinth von Dingen zu meinem Lesesessel kämpfen müssen.
Wenn ihr dramatische Familiengeschichten mögt, seid ihr bei Lisa Jewells Buch auf der sicheren Seite. Hier findet ihr 442 Seiten voller Liebe, Dramatik, Trauer, Verrat, Schuldzuweisungen, Missverständnissen, Neuanfängen… Das volle Programm! Ich wünsche euch gute Unterhaltung und würde mich freuen, von euch zu hören, wie es euch gefallen hat.
Weitere Informationen zu Autorin und Buch und eine Leseprobe findet ihr auf der Internetseite von Limes. Ich bedanke mich beim Verlag für das Rezensionsexemplar!
Euch allen noch einen schönen (nicht so heißen) Sonntag!
Deborah