Vor Kurzem erreichte mich „Rainbirds“, das Debüt von Clarissa Goenawan, erschienen im Thiele Verlag. Wie sehr habe ich mich über diese Überraschungspost gefreut, denn das Buch war mir schon im Frühjahrskatalog aufgefallen und ich wollte es so gerne lesen.

Darum geht es:

Ren Ishido ist bestürzt über den plötzlichen Tod seiner älteren Schwester Keiko, die eines abends mit mehreren Messerstichen getötet wurde. Er reist nach Akakawa, um sich um ihre sterblichen Überreste zu kümmern, mit der Polizei zu sprechen und herauszufinden, was seiner Schwester passiert ist. Ren hat wie seine Schwester britische und amerikanische Literatur studiert und gerade seinen Studienabschluss an der Uni in Tokio erreicht.

Überraschenderweise kann er sowohl Keikos Arbeit als auch ihre vorherige Wohnung kurzfristig übernehmen, was es ihm erleichtert, Einblick in das Leben seiner Schwester zu bekommen, die seine Familie vor Jahren verließ. Ren übernimmt den Unterricht in der Paukschule und auch das Vorlesen für eine Frau, die seit Jahren das Bett hütet und nicht mehr spricht.
Keikos Leben ist nach wie vor rätselhaft für Ren, er entdeckt nach und nach gut gehütete Geheimnisse. In der Paukschule trifft er auf die 17jährige Rio, die er insgeheim „Seven Stars“ nennt. Er weiß, dass er in Schwierigkeiten ist, als er sich in die Schülerin verliebt und sie seine Gefühle erwidert. Zugleich wird er in seinen Träumen von einem kleinen Mädchen mit Zöpfen verfolgt, das ihm etwas sagen möchte….



Meine Bewertung:

Manchmal lese ich Bücher, bei denen es mir extrem schwer fällt, eine Rezension zu schreiben. Nicht, weil sie mir nicht gefielen. Nein, weil sie mir so gut gefallen und ich das Gefühl habe, nicht in Worte fassen zu können, warum. Meine Worte erscheinen mir dann zu banal, nicht passend. Aus diesem Grund habe ich zum Beispiel nie eine Rezension zu einem von Nina Georges Büchern geschrieben.

Und so geht es mir mit dem großartigen Debüt von Clarissa Goenawan. Es fällt schwer, etwas darüber zu schreiben und nicht das Falsche zu sagen. Die Autorin schreibt in einer ruhigen, unaufgeregten und wunderschönen Weise. Es ist sehr schwer zu beschreiben, was es denn nun eigentlich ist. Ein Krimi? Nein, nicht wirklich. Eine Liebesgeschichte? Auch nicht so wirklich, vielleicht am Rande. Es geht noch nicht mal um Rache oder Sühne für das Verbrechen.

Eher geht es um Schuldgefühle des Bruders, der nur noch telefonisch mit seiner Schwester in Kontakt war und so wenig über ihr Leben wusste, seitdem sie weggezogen war. Schuldgefühle auch deshalb, weil er ihr wohl nachgetragen hat, dass sie, die sein einziger Halt in der Familie war, ihn verlassen hat. Als er erkennt, dass sie keine andere Chance hatte aufgrund des Verhältnisses zur Mutter, kann er ihr auch verzeihen. Erst dann versteht er, warum seine Schwester an ihrem 19. Geburtstag 19 Vögel kaufte und diese in Freiheit entließ – auch wenn es vermutlich ihren Tod bedeutete. Sie fühlte sich gefangen.

In Rückblenden erzählt Ren immer wieder aus seiner Kindheit und Jugend – mit und später auch ohne Keiko. Man erfährt nach und nach von den familiären Verhältnissen und wie sehr Keiko Ren die Mutter ersetzte, indem sie für ihn kochte und sorgte. Sein Verhältnis zu ihr war bis zu ihrem Auszug sehr eng. Umso härter trifft es ihn, als seine Mutter nach Keikos Auszug verleugnet eine Tochter zu haben. Erst nach Keikos Tod hat er die Chance, die Zusammenhänge herauszufinden und zu verstehen.



Mein Fazit:

Das Debüt ist mehr als gelungen und ich freue mich schon, in den nächsten Jahren weitere Bücher von Clarissa Goenawan zu lesen. Es geht um Schuld, Ehre, Familie und auch Liebe. „Rainbirds“ ist ein Buch, das in unvergleichlicher Weise die komplett andere Kultur und Sichtweise in Japan näher bringt und einen kleinen Einblick in das Leben und Lieben in diesem Land gibt. Ich mag die Bücher von Haruki Murakami, möchte aber keine Vergleiche zu anderen Autoren ziehen, denn ich finde, Clarissa Goenawan hat eine ganz eigene Erzählweise und muss sich nicht vergleichen lassen. Wer jedoch gerne Bücher aus dem asiatischen Raum liest, der wird „Rainbirds“ sicherlich genauso mögen. Es lohnt sich, immer wieder einmal wieder über den Tellerrand hinauszuschauen und neuen Autoren eine Chance zu geben.

„Rainbirds“ ist für mich auch ein Buch, das aus dem aktuellen Thiele Verlagsprogramm heraussticht, es ist etwas sehr Neues und Frisches. Nicht falsch verstehen: Ich liebe das Verlagsprogramm von Thiele, zumal ich Nicolas Barreau (unter dem Link findet ihr die Rezension zu „Die Briefe von Montmartre“) sehr gerne lese. Aber ich liebe eben auch neue Stimmen und lasse mich gerne überraschen.


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Vielen lieben Dank an den Thiele Verlag für die wunderschöne Überraschungspost mit dem Rezensionsexemplar von Clarissa Goenawan. Weitere Infos zur Autorin und „Raindbirds“ findet ihr auf der Internetseite von Thiele.