Langsam, ganz langsam taste ich mich wieder an ein Genre ran, das ich mit Ausnahme der Andrea Schacht Bücher längere Zeit vernachlässigt habe: Die historischen Romane. Und diesmal etwas ganz Besonderes, was ich noch nie gelesen habe – einen historischer Jugendroman:
Zum Inhalt:
England, im Jahr 1066. Harold Godwinson wird König von England. Alwynn freut sich auf die Heimkehr ihres Bruders Wigstan. Ihr Bruder hat sich den Housecarls des Königs angeschlossen und ist seit langer Zeit unterwegs im Namen des Königs. Alwynn leitet derweil die Geschicke auf dem elterlichen Gutshof. Nur sie und ihr Bruder sind von der Familie übrig geblieben. Ihre Eltern und zwei Geschwister starben durch das Fieber. Die junge Herrin wird unterstützt von Osgar, dem Stallmeister, Goderun, der resoluten Köchin und Cynric, dem Steward.
Als Wigstan heimkehrt, bringt er Strandgut mit: Einen jungen, schwer verletzten Normannen. Und mit ihm ein Zeichen am Himmel – ein geschweifter Stern, ein böses Omen. Was weder Wigstan noch seine Schwester ahnen: Girard oder auch Garred wurde von William, Herzog der Normandie, als Spion nach England geschickt, um nach einem geeigneten Landeplatz für seine Truppen zu suchen. Er erhebt seinerseits Anspruch auf die englische Krone.
Unter Alwynns Fürsorge wird Garred gesund und macht sich auf dem Hof mehr als nützlich. Bald wird er von Bewohnern des Hofes geschätzt und freundlich aufgenommen, er freundet sich sogar mit Wigstan an. Alwynn und Garred kommen sich näher – doch sie ist bereits dem grausamen Turoc versprochen und wird auf Wunsch des Königs mit ihm verheiratet. Garred unternimmt alles, um Alwynn zu schützen, doch schon bald fordert Herzog William die Einhaltung seines Versprechens. Garred muss sich entscheiden. Wird er für Alwynns Liebe kämpfen oder wird er seine angelsächsischen Freunde verraten?
Meine Bewertung:
Eine mitreißende Lektüre, die Lust auf mehr macht! „Das Herz des Sternenbringers“ geht wirklich zu Herzen und ist spannend bis zur letzten Seite.
Doch fangen wir diesmal bei den äußeren Werten an: Wahrscheinlich ist das schön gestaltete Cover der Tatsache zu verdanken, dass es sich um einen historischen Jugendroman handelt. Ich kann nur sagen: Traumhaft! Tolle, warme Farben, wunderschöner Einband – das vermisse ich bei den historischen Romanen für Erwachsene meistens. Ich kann ehrlich gesagt die typischen Cover für historische Romane aus dem Mittelalter einfach nicht mehr sehen. Sehr oft ist eine Frau in Gewandung vor passendem Hintergrund abgebildet. Diese Cover stechen einfach nicht ins Auge und sind schlicht und ergreifend langweilig. Umso mehr habe ich mich in diesen Einband verliebt. Die Inhaltsangabe war spannend, also musste ich es lesen.
Zurück zum viel wichtigeren, dem Inhalt. Was für eine mitreißende Liebesgeschichte in rauen, gefährlichen Zeiten! Alwynn kann ich mir bestens vorstellen, Garred beschreibt sie mit zwei Worten „Feuerhaar und Alabasterhaut“. Feuerhaar, das er von Anfang an gerne berühren möchte. Sie ist aber die Herrin des Hofes und genau genommen seine Feindin. Doch sein Herz sagt ihm etwas anderes. Auch Alwynn verliebt sich in Garred. Als sie mit dem widerlichen Turoc verheiratet wird, bricht für sie und Garred eine Welt zusammen. Ihr Liebster muss mit ansehen, wie sie von ihrem Ehemann misshandelt wird. Trotz der großen Gefahr treffen sie sich weiterhin.
Alwynn ist mutig, stark und lässt sich nie unterkriegen. Sie ist eine Frau, die um ihr Recht kämpft und Entscheidungen für einen ganzen Hof trifft, weil Wigstan mit dem König auf Feldzug ist. Sie führt und schützt ihre Untergebenen mit Verstand und Gefühl. Ihre Verzweiflung darüber, dass ihr Bruder sich immer mehr verändert, sie scheinbar nicht mehr respektiert und sich immer mehr vor ihr verschließt, ist buchstäblich greifbar. Er war bisher immer derjenige, dem sie vertraute und der sie verteidigte. Wigstan ist es auch, der sie zur Hochzeit mit seinem Freund aus Kindertagen drängt, denn er merkt nicht, wie kaltherzig dieser als Mann geworden ist.
Garred ist ein zerrissener und doch sehr stolzer junger Mann. Er weiß nicht recht, wo er eigentlich hingehört, halb Normanne halb Angelsachse steht er zwischen den Fronten. Ein festes Ziel hat er jedoch: Die Rache an seinem grausamen Onkel, der seiner Mutter und ihm alles nahm und ihn nach dem Tod der Mutter gnadenlos verfolgen ließ. Dass er auf Wertlyng als Fremder so freundlich aufgenommen wird, erstaunt ihn und bringt ihn in echte Gewissenskonflikte, insbesondere, als er seine Liebe zu Alwynn entdeckt und eingesteht. Zudem schwört er auch dem Wigstan, Wertlyng und natürlich Alwynn mit seinem Leben zu schützen, so lange er das selbst nicht kann.
Es ist klar, dass damals mit harten Bandagen gekämpft und mit Frauen nicht zimperlich umgegangen wurde. Ich finde, Priska Lo Cascio bringt das Thema Gewalt in der Ehe und natürlich auch die Schlachtszenen recht behutsam und jugendtauglich zur Sprache. Natürlich gehören auch die Schlachten zu dieser Geschichte, aber sie sind auf keinen Fall zu ausführlich oder zu grausam beschrieben – ebenso wenig Alwynns Misshandlungen durch Turoc. Meines Erachtens ist es auch nicht notwendig, diese Grausamkeiten allzu ausführlich zu beschreiben. Ich denke, jeder kann erahnen, was damals geschah bei Kriegen mit Äxten, Pfeil und Bogen, Speeren und Schwertern.
Wie schön, dass ich heute doch meinen Feiertag zur Verfügung hatte, um das Buch zu Ende zu lesen. Ich habe einen gemütlichen Tag genossen und mich für Stunden auf meinem Sessel verbarrikadiert und gelesen und gelesen… ich musste einfach wissen, ob es ein gutes Ende für Alwynn und Garred gibt. Zum Glück hatte ich auch die Taschentücher in Griffnähe liegen, denn die waren wirklich notwendig.
Auch für dieses Buch gibt es ein passendes Lied. Ich sage nur 1991 – Bryan Adams – „Everything I do, I do it for you“… Passt nicht nur zu Robin und Marian sondern auch zu Alwynn und Garred – sogar perfekt! Deshalb spukte es mir wohl zum Ende des Buches im Kopf rum.
Mein Fazit: Eine spannende Liebesgeschichte mit geschichtlichem Hintergrund. Es gibt jede Menge sympathische Protagonisten und auch einige wirklich fiese Gestalten. Das Ganze wird im Wechsel aus der Sicht Alwynns und der Sicht Garreds erzählt, was die Geschichte noch lebendiger macht. Der Schreibstil von Priska Lo Cascio macht „Das Herz des Sternenbringers“ zu einem wahren Lesevergnügen. Wer historische Romane mit Liebe, Eifersucht, Kampf und Intrigen mag, ist hier genau richtig – auch als Erwachsener.
Weitere Informationen zum Buch, zur Autorin und eine Leseprobe findet ihr auf der Internetseite von Thienemann Esslinger.
Ich wünsche euch viel Freude beim Lesen und bedanke mich herzlich bei Priska Lo Cascio und dem Thienemann Verlag für das wunderschöne Buch, das nun in meinem Regal eine Heimat findet.
Deborah
Ps: Was ich vergaß: Kurze Zusammenfassungen über die Ereignisse rund um die Schlacht von Hastings finden sich natürlich auch über diverse Suchmaschinen und wiki. Nach dem Lesen historischer Romane schaue ich mir gerne die geschichtlichen Hintergründe an. Eigentlich ist das ganz spannend…sollte ich öfter tun.