Elisabeth Rettelbach – Die wunderbare Kälte


Es wird Zeit, dass ich euch die letzten Winterbücher vorstelle, bevor es endgültig Frühling wird. „Die wunderbare Kälte“ von Elisabeth Rettelbach ist ein weiteres Buch aus dem Kirschbuch Verlag, das ich euch heute vorstellen möchte. Als ich den Klappentext gelesen hatte, war ich skeptisch, ob es tatsächlich etwas für mich ist. Dennoch hat mich der Kirschbuch Verlag sehr neugierig auf das Buch gemacht.


Darum geht es:


Kai (die in Wirklichkeit Charlotte heißt) arbeitet als Maskenbildnerin an einem Theater. Ihre Leidenschaft gilt aber etwas komplett anderem. Kai stalkt fremde Menschen, verfolgt und beobachtet sie, streift stundenlang durch die winterkalte und verschneite Stadt, lässt sich treiben. Bis sie Menschen entdeckt, die sie interessant findet, diesen folgt und eventuell sogar in ihr Leben eingreift. Wie ein Regisseur, der die Figuren in seiner Geschichte anweist und lenkt.


Meine Gedanken und Gefühle zum Buch von Elisabeth Rettelbach:


Es fällt mir unwahrscheinlich schwer, das in Worte zu fassen. „Die wunderbare Kälte“ ist tatsächlich ein Buch, das ich mit nichts bisher Gelesenem vergleichen kann. Das Buch von Elisabeth Rettelbach ist so komplett anders und irgendwie schwer greifbar. Kai ist eine Anti-Heldin, sie möchte gar nicht gemocht werden, am liebsten möchte sie nicht mal wahrgenommen werden. Sie möchte lieber unerkannt ihre Geschichte schreiben. Ihre Kenntnisse als Maskenbildnerin nutzt sie dabei, um ihren Zielpersonen unerkannt und nach Möglichkeit auch unbemerkt zu folgen.


So muss ich ehrlich gestehen, dass ich Kai bis zuletzt wirklich nicht leiden und ihre Handlungen immer weniger nachvollziehen konnte, zumal sie immer mehr Risiko eingeht. Es war auch das erste Mal seit Langem, dass ich nur ein paar Seiten von einem Buch gelesen habe, das Gelesene dann erst einmal sacken lassen musste, um am nächsten Tag weiter zu lesen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich für 400 Seiten fast eine Woche gebraucht habe. Und doch, ich wollte und musste es zu Ende lesen. Ich musste einfach wissen, ob ihr perfides Spiel auffliegt und was dann passieren würde. Es hat etwas von der Faszination bei einem Unglück, bei dem man einfach nicht wegschauen kann – und so selbst zum Voyeur wird. Andererseits fragte ich mich natürlich auch, wie ich mich fühlen würde, wenn ich ins Fadenkreuz eines solchen unberechenbaren Menschen geraten würde.


Kais Gefühlswelt:


Kai scheint sich nur lebendig zu fühlen oder überhaupt etwas zu fühlen, wenn sie Gefühle in anderen auslöst – seien es gute oder schlechte. Sie scheint oft so, als kann sie nichts empfinden, als versuche sie zwanghaft, Gefühle in sich selbst zu erzeugen, am liebsten Schmerz. Gegen Mitte/Ende des Buches hatte ich ganz kurz einmal das Gefühl, sie empfindet doch etwas für einen anderen Menschen und kann sich ihm tatsächlich öffnen. Vielleicht liebt sie diesen Menschen ja tatsächlich etwas auf ihre ganz eigene Art. Ab diesem Zeitpunkt gefällt ihr die Geschichte, die sie selbst eingefädelt hat, nicht mehr und sie kämpft mit aller Gewalt gegen sich selbst und gegen andere. Sie mag es, Menschen durch eine Art Blase zu beobachten, möchte aber nicht Teil des Ganzen sein. Es ist schwer zu sagen, wer oder was Kai ist. Ist sie böse, ist sie psychisch gestört, ist sie überhaupt ein Mensch? Menschen sind ihr gänzlich fremd, sie versteht sie nicht. Sogar ihre eigene Familie ist ihr fremd, obwohl sie, wie sie selbst erzählt, eine vollkommen normale Kindheit hatte.


Am Ende des Buches von Elisabeth Rettelbach blieb ich etwas ratlos zurück. Ich habe Kai als durchaus gefährlich empfunden, sie scheint mir tatsächlich das Potenzial zur Mörderin zu haben. Denn was ist, wenn sie bei ihren perfiden und teilweise sogar bösartigen Spielchen irgendwann gar nichts mehr empfindet und dann weiter gehen muss? Ich konnte sie mir durchaus als Mörderin vorstellen.


Meine Bewertung:


Ich habe mir viele Gedanken zu „Die wunderbare Kälte“ gemacht. Ich tue mich unheimlich schwer damit, das Buch von Elisabeth Rettelbach einzuordnen für mich selbst. Mochte ich es? Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich Kai nicht mochte, andere Figuren in dem Buch dagegen fand ich sympathisch. Außerdem sagt das ja wenig über das Buch selbst aus. Man muss ja den Hauptdarsteller nicht zwangsweise mögen, um eine Geschichte gut zu finden.


Ich kann auch immer noch nicht so recht das Genre einordnen. Aber eines weiß ich definitiv: Elisabeth Rettelbach hat es geschafft, mich an ihre Story zu fesseln. Anfangs war ich echt versucht, das Buch abzubrechen, weil ich es so verstörend fand. Aber irgendwie aus irgendwelchen Gründen ging das nicht, Kais Geschichte musste einfach zu Ende gelesen werden. Sie hat einen Sog und lässt einen nicht los. Es ist ein bisschen so, als würde man versuchen, einen ICE bei voller Fahrt durch eine Vollbremsung zum Stehen zu bringen – es geht einfach nicht. Und so habe ich bis zum Ende durchgehalten. Den Kopf geschüttelt, Kai teilweise gehasst wegen ihrer Gefühlskälte, mich etwas mit ihr angefreundet und sie letztendlich einfach akzeptiert als Major Tom. Kai polarisiert. Ich habe bis jetzt keine anderen Bewertungen zum Buch gelesen, was ich aber Interesse halber nachholen werde. Denn ich möchte wissen, wie ihr das empfunden habt.


„Genau das ist es: Du bist Major Tom in deiner Raumkapsel. Weit weg von allen“. (Zitat, Elisabeth Rettelbach, Die wunderbare Kälte, Seite 125)


Mein Fazit zum Buch von Elisabeth Rettelbach:


Auf jeden Fall ein Buch, das mir einige interessante Lesestunden und Zeit zum Nachdenken über das Gelesene beschert hat. „Die wunderbare Kälte“ ist anders und das macht die Story mehr als interessant. Es ist kein Buch, das man einfach mal so nebenbei liest. Wenn ich euch neugierig machen konnte, schaut doch einfach mal in die Leseprobe rein. Vielleicht könnt ihr mir dann ja erklären, wer oder was Kai ist. Ich bin dankbar für jeden Hinweis.


Ich wünsche euch viel Freude, Spannung, Verwirrtheit… beim Lesen und einen schönen Sonntag!


Deborah


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Folgenden Link kennzeichne ich gemäß § 2 Nr. 5 TMG als Werbung:


Vielen lieben Dank an den Kirschbuch Verlag für das Rezensionsexemplar. Eine Leseprobe, weitere Infos zur Autorin Elisabeth Rettelbach und zu ihrem Buch „Die wunderbare Kälte“ findet ihr auf der Internetseite des Verlages.