Kristin Harmel – Das Verschwinden der Sterne


Heute stelle ich euch das neue Buch von Kristin Harmel vor. Ihre Bücher gehörten für mich oft zu den Highlights meines Lesejahres. Wie schon die Vorgängerbücher geht auch „Das Verschwinden der Sterne“ unter die Haut. Eine Geschichte, die berührt und die ich nicht so schnell vergessen werde.


Darum geht es:


Eine alte Frau namens Jerusza entführt ein kleines Mädchen direkt aus dem Elternhaus ihrer Eltern in Berlin im Jahr 1922. In den folgenden Jahren wächst Jona, wie sie nun von Jerusza genannt wird, in der Wildnis Osteuropas auf. Jerusza lehrt Jona alles, was sie wissen muss, um in den Wäldern zu überleben. Auch wie man einen Menschen tötet, wenn es notwendig ist. Sie ziehen ständig umher in den Wäldern um nicht von anderen Menschen entdeckt zu werden. Jerusza hat auch die Gabe, die Zukunft zu sehen und verbietet Jona den Umgang mit anderen Menschen.


Als Jerusza im Jahr 1942 stirbt, ist Jona mit ihren mittlerweile 22 Jahren komplett auf sich gestellt. Sie zieht von nun an alleine durch die Wälder und fühlt sich ziemlich einsam. Bis sie irgendwann auf eine Gruppe jüdischer Flüchtlinge trifft. Erst durch sie erfährt sie, was in der Welt gerade vor sich geht. Und was all die lauten Geräusche außerhalb der Wälder zu bedeuten haben. Sie ist schockiert und versucht, diese Menschen zu retten, indem sie ihnen alles beibringt, was sie zum Überleben benötigen.


Mit Aleksander, dem Anführer der Gruppe, findet Jona auch das erste Mal die Liebe. Doch nach einer bitteren Enttäuschung geht sie in ein von deutschen besetztes Dorf. Hier erfährt sie etwas, das ihr ganzes Leben verändert könnte, denn sie ist nicht die, die sie zu sein glaubte. Und schon bald sind viele Leben von ihrer Entscheidung abhängig. Doch kann Jona all die Menschen retten, deren Leben sie ungewollt in der Hand hält?

Der Klappentext zu Kristin Harmels neuem Buch "Das Verschwinden der Sterne".


Meine Eindrücke zu „Das Verschwinden der Sterne“:


Kristin Harmel hat schon einige Bücher geschrieben, die unter anderem die Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg und hier besonders im Widerstand und auf der Flucht behandelten. Auf Deborahs Bücherhimmel findet ihr Das Buch der verschollenen Namen und Solange am Himmel Sterne stehen. Doch „Das Verschwinden der Sterne“ ist gefühlt komplett anders. Es ist dieses Mal keine Geschichte in der Geschichte sondern handelt direkt in den Jahren ab 1922.


Ich finde „Das Verschwinden der Sterne“ sehr spannend. Jona ist für mich eine der stärksten Protagonistinnen, die Kristin Harmel bisher geschaffen hat. Jona ist unglaublich mutig und handelt nach ihrem Herzen, auch wenn sie manche Entscheidung fast zu zerbrechen droht. Sie sieht ihre Aufgabe darin, so viele der in die Wälder geflüchteten Menschen zu retten, wie nur eben möglich. Diese Aufgabe stellt sie ganz selbstverständlich über ihr eigenes Glück. Und sie zeigt damit, dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, sich zu dem Menschen zu entwickeln, der sie/er gerne sein möchte.


„Wir alle kommen in diese Welt, wenn unser Schicksal noch ungeschrieben ist, Jona. Deine Identität wird nicht von deiner Geburt bestimmt. Alles, was zählt, ist was wir aus uns machen, was wir mit unserem Leben zu tun beschließen …“
(Kristin Harmel, „Das Verschwinden der Sterne“, Seite 335)


Und wieder einmal hat Kristin Harmel eine weitere Seite dieses unmenschlichen und grausamen Krieges beleuchtet, die mir bisher gänzlich unbekannt war. Wenn ihr das Buch lesen solltet, lest im Anschluss bitte auch die Anmerkungen der Autorin, in denen sie von ihren Recherchen erzählt. Unter anderem von der Gruppe um die Bielski-Brüder, die im Nalibocka-Wald in Polen eine riesige Gemeinschaft von zuletzt zwölfhundert Geflüchteten bildeten, die im Wald lebten und vor allem überlebten. Es ist fast unvorstellbar, dass es einer solch großen Gruppe gelungen ist, unentdeckt von den Nazis im Wald eine Gemeinschaft aufzubauen.


Mit ihren Romanen gelingt es Kristin Harmel, die Erinnerung an die unfassbaren Gräueltaten lebendig zu erhalten. Das ist umso wichtiger, da es mit Sicherheit nur noch wenige Zeitzeugen gibt, die aus erster Hand erzählen können. Gerade in den aktuellen Zeiten ist es wichtig, uns immer wieder vor Augen zu führen, wohin Hass, Neid und Gier führen können. Ich persönlich gebe die Hoffnung noch nicht ganz auf, dass wir Menschen irgendwann erkennen werden wohin uns dieser Weg führen wird, wenn wir ihn weiter gehen. Doch sehr oft zweifle ich auch daran.

Kristin Harmels neues Buch in einem Magnolienbaum mit der Blogmaus.


Meine Bewertung:


Kristin Harmel hat auch mit ihrem neuen Buch „Das Verschwinden der Sterne“ wieder bewiesen, dass es möglich ist, ein ernstes Thema in eine sehr spannende Geschichte zu verpacken, die teilweise auch magische Elemente hat. Ich habe von der ersten bis zur letzten Minute mit Jona und ihren neuen Freunden mitgefiebert. Und natürlich gehofft, dass sie es schaffen, in den Wäldern Osteuropas den Wahnsinn zu überleben allein mit Hilfe dessen, was ihnen die Natur gibt. Das Buch hat mich sehr berührt und des Öfteren zum Weinen gebracht wegen all der Grausamkeit, die sich Menschen gegenseitig antaten und bis heute antun.


In „Das Verschwinden der Sterne“ trägt eine junge Frau mit einem Muttermal in Form einer Taube auf dem linken Handgelenk die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft und ein Endes des Leides in sich und kämpft um jedes Menschenleben. Es fiel mir schwer, mich am Schluss von dem Buch zu lösen und ich musste das Gelesene erst einmal verdauen, denn es ging mir wirklich unter die Haut.


In diesem Buch geht es natürlich auch um Liebe, aber weit mehr als Jonas privates Lebensglück stehen hier die Menschlichkeit und die Liebe zur Familie, auch wenn diese aus einer aus der Not entstandenen Gemeinschaft besteht, im Vordergrund.


„…ist ein Zuhause kein Ort, sondern die Menschen, die zu lieben man sich entscheidet“, führte er den Gedanken zu Ende.
(Kristin Harmel „Das Verschwinden der Sterne“, Seite 318)

Kristin Harmels Buch mit der Blogmaus auf Farn.


Mein Fazit zu „Das Verschwinden der Sterne“:


Das neue und meines Erachtens vom Stil her etwas andere Buch von Kristin Harmel bekommt von mir eine ganz dicke Leseempfehlung. Aber Achtung: Ich würde es euch eher nicht empfehlen, wenn ihr gerade eher in einer düsteren Stimmung seid oder unter Endjahresblues leidet. Dann könnte es euch durchaus noch mehr herunterziehen, denn es ist manchmal erschreckend brutal und beschönigt nichts. Aber es steckt eben auch voller Hoffnung.


Wie immer gilt: Am besten einmal beim Buchhändler eures Vertrauens einen Blick reinwerfen und schauen, ob es etwas für euch ist.


Ich wünsche euch spannende Unterhaltung,


Deborah

Das Buch mit einem Fernglas und der Blogmaus.


Werbung


Folgenden Link kennzeichne ich gemäß § 2 Nr. 5 TMG als Werbung:


Vielen lieben Dank an den Knaur Verlag für das Rezensionsexemplar. Weitere Infos zu Kristin Harmel und Das Buch der verschollenen Namen findet ihr auf der Internetseite des Verlages.