Ich habe mich an einen historischen Krimi zu einem Ereignis, von dem ich bisher nicht gehört hatte, gewagt. Wusstet ihr von der Eisflut, die sich im Februar 1784 in Köln und Mülheim (und vielen weiteren Städten) ereignete? Mir war dieses Ereignis bis zum Erscheinen des Krimis „Eisflut 1784“ von Marco Hasenkopf nicht bekannt. Umso spannender zu lesen, wie Köln und Umgebung in Schnee und Eis versanken.
Darum geht es:
Cöln 1784, Amtmann Henrik Venray begibt sich nach Mülheim um die Baufortschritte eines Deiches zu kontrollieren. Das Ganze ist dringlich, denn im härtesten Winter, den das Rheinland bis dato erlebte, haben sich im Bereich von Mülheim bereits Berge aus Eis am Ufer des Rheins gebildet, der Rhein ist zugefroren. Die Bevölkerung ist hungrig, die Kälte und Dunkelheit unerträglich. Venray befürchtet das Schlimmste, wenn das Tauwetter einsetzt.
Kaum in Mülheim angekommen, wird er jedoch mit einem Mordfall konfrontiert, ein Geistlicher wurde ermordet. Und das bleibt nicht der letzte Mord. Die Apothekerwitwe Anna-Maria Scheidt ist Venray behilflich bei seinen Ermittlungen. Doch die Zeit drängt, denn die Schmelze steht unaufhaltsam bevor.
Ein paar Hintergründe zu den Ereignissen rund um die Eisflut 1784:
Nach großen Vulkanausbrüchen auf Island im Jahr 1783 bildeten sich große Aschewolken, die den Himmel verdunkelten und zu Missernten führten. Viele Menschen starben aufgrund von Hunger. Erschwerend hinzu kam der außergewöhnlich lange und harte Winter mit Massen von Schnee und Eis und Temperaturen im zweistelligen Minusbereich, der wohl die Folge einer kleinen Eiszeit war. Zum Ende des Winters wurden viele Städte und Gemeinden entlang der Haupt- und Nebenflüsse von unfassbar hohen Fluten überschwemmt. Verständlich, dass die Menschen sich von der Obrigkeit und insbesondere der Kirche beeinflussen ließen und vor der großen Flut ihr Heil in Gebeten suchten.
Geradezu bizarr muten die Schilderungen von Bergen schmutzigen Schnees in Köln und Massen von fanatischen Gläubigen, die auf Karnevalisten treffen, an. Überhaupt die Beschreibung von Köln und dem schon damals bestehenden Filz und Klüngel und jeder Menge falscher Frömmigkeit macht schier sprachlos. Eine Stadt, die schmutziger nicht sein könnte und wie ein einziger Sündenpfuhl wirkt, trotz ihrer vielen Kirchen. Da kann man schon fast nachvollziehen, warum die Menschen die bevorstehende Flut als Strafe Gottes empfanden.
Etwas mehr zu den Hauptcharakteren:
Der Krimi spielt zu einer Zeit zum Ende des Absolutismus, einer Zeit des Umbruchs kurz vor der Französischen Revolution, in der sich der Adel an seine Privilegien klammerte und sich gegen die Aufklärung stemmte. Mit seinem Protagonisten, dem Amtmann Henrik Freiherr van Venray, hat der Autor einen interessanten Charakter geschaffen, einen Adligen, der fortschrittlich denkt und handelt, und zum Glück nicht abergläubisch ist. Venray kämpft jedoch auch gegen seine Gefühle, denn er hat seine Frau und seine Kinder verloren und wünscht sich manches Mal, ihnen zu folgen. Er versteht die Hintergründe der Wetterereignisse, da er auch wissenschaftlichen Berichten gegenüber nicht abgeneigt ist.
Da passt es wirklich hervorragend, dass sich die ebenfalls sehr fortschrittliche (und selbst Venray doch so manches Mal zu forsche) Apothekerwitwe Anna-Maria Scheidt an seinen Ermittlungen beteiligt, in dem sie die pathologischen Untersuchungen durchführt. Dabei bewegt sich Anna-Maria stets am Rande der Legalität und gerät selbst in Gefahr, denn eine Frau mit Kenntnissen der Herstellungen von Salben und Tränken galt auch 1784 noch schnell als Hexe und musste die Verfolgung durch die Kirche fürchten. Insofern ergibt sich hier ein interessantes Ermittlerduo, das ständig am Rande des Abgrundes tanzt und permanent in Gefahr ist.
Meine Eindrücke zu Eisflut 1784:
Ich war so neugierig und gespannt auf dieses Buch, dass ich es quasi direkt angefangen habe, nachdem es bei mir ankam. Die ersten Seiten trübten meine Vorfreude etwas, denn ich brauchte doch einige Zeit, um mich an den Erzählstil zu gewöhnen. Eine Zeitlang hatte ich sogar den Gedanken, das Buch abzubrechen.
Aber dann hat mich die Spannung und die Faszination doch gepackt und ich habe bis zum Schluss mitgefiebert, wer der Mörder ist und ob die Protagonisten die Eisflut überleben würden. Diese bildhafte Beschreibung der Ereignisse vom 26. und 27. Februar 1784 fesselten mich. Das Ganze war so gut beschrieben, dass ich das Knacken des Eises regelrecht im Ohr hatte.
Die Geschichte spitzt sich zum Ende hin dramatisch zu, sowohl was die Ermittlungen als auch was die drohende Überflutung betrifft, sodass ich ihr in jeder freien Minute folgen musste und das Buch in der Hand hatte. Fasziniert von dem, was ich in Eisflut 1784 las, begann ich danach direkt, im Internet nach Berichten zu den Ereignissen 1784 zu recherchieren. Das ist bei mir immer so, wenn mich ein historischer Roman packt – dann muss ich gleich mehr über die entsprechende Zeit lesen. Genau das macht für mich den Reiz solcher Geschichten aus. Auf Wikipedia zum Beispiel findet ihr einen interessanten Bericht über den Winter 1783/1784.
Mein Fazit:
Lasst euch bitte nicht abschrecken von den ersten Seiten, dieses Buch ist absolut lesens- und empfehlenswert. Ich hatte ein paar Anlaufschwierigkeiten, aber dann befand ich mitten drin im Geschehen. Es geht um grausame Morde und auch sonst wird nichts beschönigt. Die Spannung wird hoch gehalten bis zum Schluss. Das einzige Problem, das ich mit dem Buch hatte: Ich war gefühlt ständig am Frieren. Kein Wunder, wenn man von so viel Schnee und Eis liest. Alleine die Vorstellung, dass der Rhein zugefroren war und man von einer zur anderen Seite laufen konnte. Für mich fast unvorstellbar. Von Marco Hasenkopf aber mehr als bildlich beschrieben.
Schaut mal wieder bei der Buchhandlung eures Vertrauens vorbei und werft unbedingt einen Blick auf und in das Buch. Wer historische Krimis mag und insbesondere Geschichten aus Köln und Umgebung gerne liest, ist hier absolut richtig.
Ich wünsche euch spannende Unterhaltung.
Deborah
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Weitere Infos zu „Eisflut 1784“ von Marco Hasenkopf findet ihr auf der Internetseite des emons: Verlages.