Sólveig Jónsdóttir – Ganze Tage im Café

Ein dunkler Winter und vier Frauen in Reykjavík…


Zum Inhalt:

Hervör, Silja, Mía und Karen kennen sich nicht. Es sind vier junge Frauen, die in Reykjavík leben, lieben und arbeiten. Hervör arbeitet im „Viertel“, einem Café, dass auch die anderen kennen und früher oder später aufsuchen. Für alle vier Frauen gibt es große Änderungen im Leben. Hervör wird von ihrem älteren Liebhaber und früheren Professor verlassen, Mía von ihrem Mann, Silja erwischt ihren Mann beim Ehebruch – mit Karen, die ihrerseits verzweifelt ist über einen großen Verlust in ihrem Leben. Und das alles während des langen isländischen Winters.

Meine Bewertung:

Fällt mir in diesem Fall wirklich schwer. Ich hatte etwas vollkommen anderes von „Ganze Tage im Café“ erwartet. Ich bin deshalb auch nicht 100%ig begeistert von dem Buch – aber ich finde es trotzdem gut. Auch bin ich der Meinung, der deutsche Titel passt überhaupt nicht – die einzige, die ganze Tage im Café verbringt ist Hervör, denn sie arbeitet dort. Ich dachte, die vier Frauen hätten irgendwann mehr miteinander zu tun – würden sich vielleicht sogar befreunden. Aber das war leider nicht so.

Insgesamt sind die ganzen Geschichten eher tragisch, wirklich viel Lustiges erleben die vier jungen Frauen nicht, zumindest anfangs nicht. Jede kämpft mit ihrer ganz persönlichen Katastrophe. Am sympathischsten ist mir Hervör, sie hat eine herzliche Art und steuert auf ein Happyend mit ihrem Kollegen Georg hin. Die beiden sind meine Helden in der Geschichte. Auch für die betrogene Silja gibt es ein hoffnungsvolles Licht im dunklen isländischen Winter: Liam, der lustige Engländer, holt sie aus ihrer Trauer um die gescheiterte Ehe. Bei Mía und Karen ist viel mehr Alkohol im Spiel, als für beide gut ist. Und trotzdem gibt es auch für diese beiden Hoffnung. Am wenigsten konnte ich mit Mía anfangen – sie ist nicht so einfach zu durchschauen. 

Das Ende des Buches ist sehr offen gehalten – alles ist möglich für die vier Frauen. Ich weiß nicht, ob hier eine Fortsetzung geplant ist. Die Möglichkeit dafür besteht jedenfalls. Was mir nicht so gefallen hat, ist die Tatsache, dass gegen Schluss des Buches die Erzählstränge sehr schnell zusammen gebracht werden, nachdem sie vorher die ganze Zeit nebeneinander her laufen. Es scheint fast so, also müsste die Geschichte dann ganz schnell zu einem Ende kommen. Und dieser Abschluss ist dann ebenfalls sehr kurz und plötzlich und lässt einen schon teilweise mit Fragezeichen in den Augen zurück.

„Ganze Tage im Café“ scheint in Island ein großer Erfolg zu sein. Ich glaube, die Geschichte kommt bei uns schwieriger an, da die Mentalität sehr unterschiedlich ist. Innerhalb der Leserunde bei lovelybooks stellte sich heraus, dass sich einige an dem überdurchschnittlich hohen Alkoholkonsum der Protagonistinnen störten. Was nicht wirklich verwundert, denn irgendwie ist jede einzelne von den Frauen irgendwann betrunken und geht dann an ihre Grenzen. Teilweise mag das lustig sein, aber zumeist ist es eher traurig. 

Mein Fazit: Es war nicht die unterhaltsame Lektüre, die ich erwartet habe, aber dennoch ist „Ganze Tage im Café“ ein interessantes und durchaus lesenswertes Buch. Und offensichtlich können wir froh sein, dass wir keine solchen harten, dunklen Winter haben… Mit Sicherheit interessant für Island-Fans und Freunde isländischer Literatur. Weitere Infos zum Buch findet ihr beim Insel Verlag (Suhrkamp).

Mein Dankeschön geht an lovelybooks und den Insel Verlag!

Deborah